Themenfeld 3 – Arbeit in der Wissenschaft

Leitung: Prof. Dr. Philipp Pohlenz und Dr. Maria Kondratjuk

Informationen

Wissenschaftliche Arbeit ist dadurch gekennzeichnet, dass die in ihr Tätigen ein hohes Maß an Autonomie (hinsichtlich der zu bearbeitenden Gegenstände, hinsichtlich der Arbeitsplanung, etc.) genießen. Aus dieser Autonomie speist sich gerade auch die Attraktivität von Wissenschaftskarrieren. Arbeit in der Wissenschaft ist zudem angetrieben von hohen Idealen, wie einer zweckfreien epistemischen Neugier, der Möglichkeit, durch Entdeckungen das Denken der Menschen zu beeinflussen. Belohnungen erfolgen in Form wissenschaftlicher Reputation und zuweilen öffentlicher Aufmerksamkeit.

Zugleich sind erfolgreiche Wissenschaftskarrieren das Ergebnis der Teilnahme an einem hoch kompetitiven Feld. Dem Beruf „Wissenschaft“ muss man sich gänzlich widmen und hingeben, außerberufliche bzw. außerwissenschaftliche Belange gelten als unerwünschte Ablenkung.

Mit diesem Credo lässt sich auch rechtfertigen, dass von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern eine spezifische Form der Selbstunterwerfung erwartet wird sowie die Bereitschaft, problematische Arbeitsbedingungen (wie etwa kurzfristige Arbeitsverträge, die kaum Sicherheit für die Lebensplanung bieten und bspw. häufige Ortswechsel erfordern) klaglos hinzunehmen.

Jedoch auch die Wissenschaft hat sich unter den Bedingungen einer Wissensgesellschaft, in der mehr und mehr Arbeitsfelder verwissenschaftlicht werden, verändert. Zum einen ist die Ausdehnung des Wissenschaftsbetriebs beachtlich, das Wissenschaftssystem wächst seit Jahrzehnten und ist von Spezialisierung und Arbeitsteilung gekennzeichnet sowie davon, dass das Leitbild des Wissenschaftlers (der hier bewusst in der männlichen Form genannt wird), der sich ganz seinen Forschungsfragen hingibt, immer mehr zur Fiktion wird. Reziprok dazu gibt es eine Delegitimation wissenschaftlichen Wissens, in dem Sinne, dass eine skeptische Öffentlichkeit die alleinige Geltung wissenschaftlichen Wissens nicht länger akzeptiert und sich in den wissenschaftlichen Diskurs aktiv einbringt.

Diese Entwicklungen haben auch Auswirkungen auf wissenschaftliche Arbeitsroutinen und damit auf die Wissenschaft als „Arbeitswelt“. So steigt der Legitimationsbedarf der eigenen Arbeit an, nicht nur im Sinne der Gültigkeit des produzierten Wissens, sondern auch hinsichtlich der Effizienz des Einsatzes öffentlicher Mittel für die Zwecke der Forschung. Dokumentationspflichten nehmen mittlerweile einen erheblichen Anteil der verfügbaren Arbeitszeit in Anspruch, zugleich wird der Wettbewerb um die für die wissenschaftliche Arbeit nötigen Mittel schärfer. In dem sich hier wiederspiegelnden „organisierten gesellschaftlichen Misstrauen“ gegen die Wissenschaft, lassen sich durchaus Deprofessionalisierungstendenzen erkennen. War die Wissenschaft traditionell der Ort und die Quelle gesellschaftlich relevanter Wissensproduktion, der man die Freiheit einräumte, sich gemäß eigener Regeln und Vorstellungen zu organisieren, wurde sie in jüngerer Zeit unter die Aufsicht der „Indikatorensteuerung“ gestellt, durch die Zeiteffizienz und internationale Vergleichbarkeit hergestellt werden soll. Intendiert ist damit, dass durch die Verschärfung von Wettbewerbsmechanismen die Kreativität von Wissenschaft gefördert werden soll, in dem Sinne, dass die Bereitschaft zur Finanzierung der Forschung permanent unter dem Vorbehalt der – zeitlich möglichst unmittelbaren – Produktion exzellenter und international kompetitiver Ergebnisse steht. Zumindest potenziell denkbar sind indes gegenläufige Effekte, nämlich solche der opportunistischen Anpassung an die Logik der Belohnungssysteme, durch die eher die Bearbeitung von „Mainstream-Forschungsfragen“ und die Vermeidung riskanter, weil hinsichtlich der zu erwartenden Ergebnisse nicht absehbarer, Forschungsfragen mit ungewissem Ausgang provoziert werden. Diese Entwicklungen haben möglicherweise auch einen Einfluss auf Handlungslogiken und -praktiken im Forschungsbetrieb und mithin auf das wissenschaftliche Arbeiten sowie die Motive einzelner Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für ihr individuelles Engagement in der und für die wissenschaftliche Wissensproduktion. Sie sind zudem schon vielfach diskutiert worden, etwa aus Sicht der Wissenschaftssoziologie und der Hochschulforschung. Auf der Nachwuchstagung soll die entsprechende Perspektive auf spezifische Entwicklungen der Wissenschaft als Arbeitswelt gerichtet werden: Geht ein Verlust an „Kreativitätsspielräumen“ und Fehlertoleranz mit einer sinkenden Attraktivität der Wissenschaft als Arbeitsumgebung einher? Wie stellt sich das Leben von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern jenseits des Genies, das in Einsamkeit und Freiheit forscht, dar? Wie entwickeln sich Wissenschaftskarrieren unter dem (Ein)Druck der beschriebenen Veränderungen?

Beiträge

Freitag

  • Welten im Innenleben der neuen deutschen Hochschule?
    Dr. Peter-Georg Albrecht, Hochschule Magdeburg-Stendal

  • Autonomie und Identitätsentwicklung in wissenschaftlichen Communities of Practice (CoP). Eine lerntheoretische Annäherung

    Birgit Stubner, Hochschule Coburg

  • Lehre als Herausforderung im akademischen Werdegang – Lehrauffassungen von wissenschaftlich Arbeitenden im Vergleich

    Tim Flügge, Georg-August-Universität Göttingen

  • Wissenschaftliche Karriereverläufe von Postdoktorand*innen mit Behinderung und/oder chronischer Krankheit

    Marco Miguel Valero Sanchez, Leibniz Center for Science and Society Magdeburg

Letzte Änderung: 24.06.2020 - Ansprechpartner: