Themenfeld 1 – Arbeit und Gesundheit
Leitung: Prof. Dr. Heike Ohlbrecht und Dr. Carsten Detka
Informationen
In den modernen Arbeitswelten haben sich (in unterschiedlichem Ausmaß) einige erstrebenswerte Aspekte guter Arbeit durchgesetzt, wie vergrößerte Autonomiespielräume, flexible Arbeitszeiten, mehr Subjektivität, größere Kreativitätsspielräume. Andererseits können diese Vorteile auch wieder zu Nachteilen werden und werfen neue Probleme auf. Stichworte wären etwa die Verdichtung von Arbeitsprozessen, der Überschuss an emotionalem Einsatz und Kommunikationsnotwendigkeiten oder die Auflösung der Grenzen von Arbeit und Familie durch z.B. gesteigerte Flexibilität und Mobilität.
Arbeit ist ein janusköpfiges Phänomen: einerseits ermöglicht Erwerbstätigkeit Identität, Anerkennung und individuelle Freiheiten, andererseits schafft Arbeit Abhängigkeiten und enthält Entfremdungspotentiale. Selbstverwirklichung und Selbstentfaltung können zu einem zentralen Motor werden, sind aber abhängig von Mitbestimmungspotentialen, von sozialen Gradienten und von Arbeitsmilieus.
Mit jeder historischen Gesellschaftsphase und ihren typischen Arbeitsbedingungen waren auch bestimmte Spektren von (Arbeits-)Erkrankungen, Belastungen und Gesundheitsrisiken verbunden. Die Tätigkeiten, die in den Arbeitswelten des 21. Jahrhunderts verlangt werden, setzen auf Eigeninitiative und Eigenverantwortung der Beschäftigten bei steigender Komplexität der Arbeits- und Leistungsanforderungen, Digitalisierung sowie veränderten Kontrollinstanzen. Durch die Entkopplung der Arbeit von Zeit und Ort wird Arbeit mobiler und flexibler. Diese Flexibilitäts- und Mobilitätszumutungen oder -versprechungen gelten allerdings nicht für alle Arbeitsverhältnisse gleichermaßen. Zu unterscheiden sind etwa Kreativberufe, die IT-Branche, Pflege-, Lehr- und Sozialberufe oder Tätigkeiten in der Versandbranche, in denen Belastungen, deren Bewertungen sowie deren soziale Auswirkungen sehr unterschiedlich verteilt sind.
Für die Arbeitsgesellschaft zeigen sich irritierende Anzeichen: Psychische Erkrankungen im erwerbsfähigen Alter wie auch chronische Verläufe von Erkrankungen allgemein nehmen zu. Hinsichtlich des Stresserlebens und der stressinduzierten Erkrankungen nimmt die Arbeitswelt mittlerweile Platz eins ein und rangiert mit weitem Abstand vor anderen Lebensbereichen. Dies verweist auf die Ambivalenzen von sich wandelnden Arbeitswelten, die sich u.a. zwischen globalisierten Finanzmärkten, neuen Organisationsstrukturen und Prekarisierungstendenzen etc. aufspannen. Im wissenschaftlichen Diskurs herrscht allerdings keineswegs Einigkeit darüber, welche Phänomene für die Steigerungsraten der psychischen Erkrankungen verantwortlich sind oder ob Artefakte reüssieren (Werden Krankheiten bspw. diagnostiziert, da es neue medizinische Diagnoseschlüssel dafür gibt?). Fest steht: (Erwerbs-) Arbeit enthält einerseits salutogene, d.h. gesundheitsförderliche Ressourcen, wie andererseits pathogene, die Gesundheit beeinträchtigende Faktoren.
Der Übergang zu einer die Entwicklungsfähigkeit von Individuen wie Gesellschaft sichernden nachhaltigen Arbeit erfordert eine über technologische und ökonomische Innovationen hinausgehende umfassende sozial-ökologische Transformation der Arbeitsgesellschaft. Inwieweit u.a. die derzeit absehbaren Schritte der Digitalisierung, die anwachsende Entgrenzung und Subjektivierung oder die Lösungsansätze der betrieblichen Gesundheitsförderung etc. angesichts einer alternden Gesellschaft den Zusammenhang von Arbeit, Lebenswelt und Gesundheit im Sinne einer zu sichernden Entwicklungsfähigkeit in Rechnung stellen, ist eine offene Frage. Die Arbeitsgruppe möchte die Chance eröffnen, unterschiedliche Aspekte des Zusammenhangs von Arbeit und Gesundheit zu thematisieren.
Möglicherweise verliert Erwerbsarbeit – angesichts der mit ihr verbundenen Belastungen und des Ungleichgewichts in der Work-Life-Balance – an Bedeutung, und neue Formen des Arbeitens, Nichtarbeitens oder Tätigseins etablieren sich? Welche gesundheitlichen Belastungen zeigen sich in den neuen Arbeitswelten, welche Rolle spielen spezifische Arbeitskulturen? Welche Chancen des Umgangs mit dem Phänomen der bedingten Gesundheit zeigen sich z.B. auf betrieblicher Ebene (betriebliche Gesundheitsförderung)?
Beiträge
Freitag
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Zwischen Selbstverwirklichung und Achtsamkeit – Alte und neue Glücksversprechen der Arbeit im digitalen Kapitalismus
Dr. Friedericke Hardering & Dr. Greta Wagner, Goethe-Universität Frankfurt/M -
Konsequenzen der mütterlichen Erwerbstätigkeit für die Gesundheit von Kindern
Stephanie Heß, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg -
Entgrenzte Arbeit in einer entgrenzten Welt? – Polizeiliche Belastungen und Beanspruchungen und ihre Deutungen im Kontext von Flucht
Josephine Jellen, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg -
Die Wirkung des Systems permanenter Bewährung auf die Gesundheit - Eine quantitative Analyse
Britta Maskow, Technische Universität Chemnitz
Samstag
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Arbeitsplatzbezogene Belastungen und psychische Beanspruchung sächsischer LehrerInnen. Eine empirische Untersuchung der Lehrerarbei
Doris Pfeiffer, Technische Universität Chemnitz -
„Subjektive“ soziale Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern in Betrieben
Timothy Rinke, Universität Duisburg-Essen